April, Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober, November, Dezember | 2008

Xu Xing

Feuchtwanger Fellow
  • Xu Xing © Privat

Xu Xing, geboren im März 1956 in Peking, zählt zu den prägenden Stimmen der zeitgenössischen chinesischen Literatur und des unabhängigen Dokumentarfilms. Oft als „chinesischer Jack Kerouac“ bezeichnet, verbindet Xu in seinem Werk eine kritische Auseinandersetzung mit Fragen von Politik, Macht und moralischer Verantwortung mit einer Erzählweise, die Tradition und Moderne auf originelle Weise miteinander verknüpft.

Seinen literarischen Durchbruch erzielte Xu Xing 1985 mit der Novelle Variationen ohne Thema (无主题变奏), die heute als Meilenstein der chinesischen Avantgarde-Literatur gilt. Seine Romane, darunter Und alles, was bleibt, ist für dich, Die Geschichte einer Stadt sowie zahlreiche Erzählungen und Theaterstücke, wurden in mehrere Sprachen übersetzt und fanden international große Resonanz. Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre lebte Xu mehrere Jahre in Deutschland, unter anderem als Gastwissenschaftler in Heidelberg, wo er an der Wiederbelebung der einflussreichen Literaturzeitschrift Today mitwirkte und sich in der chinesischen Exil-Literaturszene engagierte.

Nach seiner Rückkehr nach Peking Mitte der 1990er Jahre wandte sich Xu Xing verstärkt dem Dokumentarfilm zu. Seine Filme wie A Chronicle of My Cultural Revolution, Crime Summary und The Day of Reckoning wurden weltweit auf Festivals und an Universitäten gezeigt. Sie zeichnen sich durch eine nuancierte Annäherung an die chinesische Geschichte und Gesellschaft aus und geben jenen eine Stimme, die in offiziellen Narrativen oft übersehen werden. Xu gelingt es, persönliche Erinnerungen mit kollektiver Geschichte zu verweben und so seltene Einblicke in urbane wie ländliche Lebensrealitäten während gesellschaftlicher Umbrüche zu ermöglichen.

Für sein Schaffen wurde Xu Xing vielfach international ausgezeichnet, unter anderem mit dem schwedischen Kult Tucholsky-Preis und dem Korea Gwangwa Gate Artistic Achievement Award. Er war Stipendiat und Gast zahlreicher renommierter Institutionen, darunter die Villa Aurora in Los Angeles, und ist regelmäßig zu Gast an Universitäten und Literaturfestivals in Europa, den USA und Asien.

Anfang 2024 sah sich Xu Xing erneut politischem Druck ausgesetzt und musste China verlassen. Heute lebt er im Exil. Sein Werk prägt weiterhin die Debatten um Literatur, Geschichte und Meinungsfreiheit in China und darüber hinaus – und macht ihn zu einer unverzichtbaren Stimme für jene, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.