Events | Seminar mit Stefan Keppler-Tasaki: „Wie Goethe Japaner wurde“

Portland | 4. Oktober 2019

Klaus Pringsheim in Tokyo um 1932. Quelle: Bildarchiv der ETH Zürich, Sign. TMA_1433.

Die jährliche Konferenz der German Studies Association bringt über 1.000 Wissenschaftler*innen aus den Bereichen deutsche Geschichte, Literatur, Kultur und Politik zusammen. Im Rahmen der 43. Konferenz präsentiert und diskutiert Thomas Mann Fellow Stefan Keppler-Tasaki sein Buch „Wie Goethe Japaner wurde. Eine Geschichte internationaler Kontakte und nationaler Zwecke“.

1818 schrieb Goethe an seinen Fürsten, Herzog Carl August: „Japan ist überall, wo man es zu erschaffen weiß.“ Nahezu alles, was Europäer der Goethe-Zeit über Japan zu glauben wussten, verlor im Laufe des japanischen Nationsbildungsprozesses des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts erheblich an Wiedererkennungswert. In diesem Prozess bewahrheitete sich Goethes Sentenz auch insofern, als Japan „erschaffen“ werden konnte, zumal in Japan selbst. Der Baustoff zu dieser Schöpfung wurde nicht zuletzt wiederum aus Goethes Leben und Werk gewonnen. Japanische Intellektuelle von Mori Ōgai, einer der Gründungsfiguren des modernen Japans, bis Osamu Tezuka, dem Erfinder des Story-Manga, arbeiteten intensiv an Goethe, um so etwas wie eine japanische Identität zu bestimmen – zur nationalen Selbstbehauptung ebenso wie für eine grundlegende Kritik an Staat und Gesellschaft. Vor dem Hintergrund der flagranten Suizidmotive in Werther und Faust wurde Goethe eine Art Nationalautor gerade für die „Suizidnation“ Japan. Selbstzeugnisse japanischer Suizid-Kandidaten aus den 1890er Jahren bis zum Höhepunkt der Kamikaze-Taktik in den Jahren 1944/45 belegen dies umfangreich.

Die enge Beziehung zwischen Goethe und Japan wurde von europäischen Intellektuellen wie Thomas Mann und Gottfried Benn befördert, deren Goethe-Essays von 1932 sich auf Japan (Mann) bzw. auf den Buddhismus (Benn) beziehen. Mann, dessen Schwager Klaus Pringsheim seit 1931 in Tokyo lebte, hat Goethe in seiner Adresse An die japanische Jugend. Eine Goethe-Studie nach seinem Bild des modernen Japan modelliert. Benn kommentierte in Goethe und die Naturwissenschaften die häufigen Reklamationen von Goethes Weltanschauung für das buddhistische Denken. Beide Texte waren in den 1930er Jahren Pflichtlektüre an den staatlichen Oberschulen Japans und wurden so von eben den Jugendlichen gelesen, die sich dazu bestimmen ließen, ihr Leben im Pazifikkrieg zu opfern.

Diese und andere Szenen internationaler Kontakt zu nationalen Zwecken verdienen nähere Betrachtung im neu etablierten Rahmen der Asian German Studies.


Location:

43rd Annual German Studies Association, 3.-6. Oktober 2019
Portland, Oregon

Teilnahme nur für akkreditierte Mitglieder der German Studies Association


Villa Aurora & Thomas Mann House e. V. is supported by the German Federal Foreign Office and Federal Government Commissioner for Culture and the Media.

            

 

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